Das geraubte Gedächtnis
DAI - Großer Saal
- Manfred Osten
- Eine kleine Geschichte des Vergessens
- Vortrag
Als die Gefährten des Odysseus von den Lotophagen bewirtet werden, vergessen sie alles und denken nicht daran, in ihre Heimat zurückzukehren. Mit Gewalt müssen sie aufs Schiff gebracht werden, um die Heimreise fortzusetzen.
Dieser Mythos markiert den Beginn einer Geschichte des Vergessens, die unsere Geschichte der menschlichen Kultur als ihre andere Seite begleitet und heute mit der schwindenden Nachhaltigkeit digitaler Systeme und ihrer scheinbar unermesslichen Speicherkapazität einen neuen Höhepunkt erreicht.
Manfred Osten beschreibt in seinem Essay erstmals die Geschichte des Vergessens als Teil der Kulturgeschichte, vom Anfang bis zur Gegenwart, bis zur Problematik heutiger digitaler Speichersysteme, die das menschliche Gedächtnis entlasten sollen, zugleich aber auch immer fragiler werden und damit den fortschreitenden Verlust des kulturellen Gedächtnisses geradezu »programmieren.«
Manfred Osten, geboren 1938, studierte Rechtswissenschaften, Philosophie, Musikwissenschaft und Literatur, war von 1995 bis 2004 Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Bonn. Mit Alexander Kluge führte er 30 Fernsehgespräche zu Themen der Philosophie, Musik, Literatur, Geschichte und Japan.